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Kindheitserinnerungen der besonderen Art.

Liebe geht für mich nicht durch den Magen. Liebe geht für mich durch den Hals. Wenn der Mann ihn mit beiden Händen packt und langsam zudrückt, wenn die Atemlosigkeit mich nimmt und erst dann aus ihren Fingern lässt, wenn seine Kuppen nachgeben, wenn ich japsend und erschöpft am Boden liege. Das liebe ich.

1976, da war ich zwei. Mein Vater starb an Staublungen. Er ist wohl auf übelste Art und Weise erstickt. Aber es war das, was ich von ihm kannte. Die Geräusche seines Japsens, seiner Atemnot. Kindheitserinnerungen der besonderen Art. Ihr seht keinen Zusammenhang? Ich schon. Ihr findet das eigenartig, komisch, beklemmend? Ich nicht.

Meine Mutter wurde nach dem Tode meines Vaters sehr traurig. Sie gab uns Essen, keine Aufmerksamkeit. Wenn wir etwas erzählten, dann gab es von ihr als Antwort: „Und sonst so?“.

Noch bis zu ihrem Tod vor zehn Jahren, wurde sie von dieser ewigen Traurigkeit flankiert. Traurigkeit, die ich immer darauf münzte, dass sie wegen uns Kindern (wir waren drei) vom Leben, von der Lust, von den Männern und von den schönen Dingen abgehalten wurde. Denn Männer und Sexualität, die gab es nach meinem Vater nicht mehr. Und ich fühlte mich Schuld an ihrer Misere.

Alles, nur das nicht!

Lust, die will ich haben dürfen, leben dürfen. Um bloß nicht so zu sein wie meine Mutter. Alles, nur das nicht! Auch ich habe Kinder. Nicht nur drei, sogar vier. Deren Vater starb nicht, er schlich sich einfach davon, aus, weg, vorbei, neue Frau, zwei neue Kinder. All das, was wir gemeinsam wollten, blieb (fast) allein an mir hängen. Hier ein Elternabend, da eine Feier, dort die volle Spülmaschine, da hinten der Termin beim Kieferorthopäden. Arbeiten? Aber klar doch, das ging natürlich auch noch!

Als ich 38 war, da kam der erste dominante Mann in mein Leben. Vorher habe ich alles Mögliche ausprobiert, aber ich habe an nichts Konkretem wirklich richtig Gefallen gefunden. „Ich mag’s eigentlich härter“, sagte er, gerade mal 1,70 groß, unscheinbar, freundlich, aus Thüringen. Beim Sushi Essen. Gekichert habe ich und ihm gesagt: „Neee, das glaube ich Dir jetzt nicht so.“

Sicherlich hatte ich mit 50 Männern bereits Sex gehabt.

Zu unserem expliziten Date (die Kinder waren bei den Großeltern in Bayern) brachte er einen kleinen Stoffbeutel mit. Dann klebte er mich mit Gaffertape auf meinem Küchenstuhl fest. Steckte mir allerlei Zeug in allerlei Körperöffnungen. Vier Kinder hatte ich zu dem Zeitpunkt bekommen. Sicherlich hatte ich mit 50 Männern bereits Sex gehabt. Und noch keinen einzigen Orgasmus erlebt. Bis zu jenem Tag. Eine halbe Stunde gelacht habe ich, danach.

BDSM heißt für mich, Verantwortung abzugeben an einen Mann oder Herrn oder – weiß der Kuckuck wie Er genannt werden möchte. Hauptmotivation bei alledem ist, gefallen zu wollen, gelobt zu werden, den Stolz des anderen zu spüren. Wertvoll und schön zu sein. Und glücklich zu machen. Sich zu ergänzen, gemeinsam etwas zu wagen, es krachen zu lassen.

Mit jedem Dahergelaufenen kann ich das nicht. Ich brauche viel Wärme, Empathie, Intellekt, Gleichklang, Sympathie. Und vor allem Verständnis dafür, dass ich im realen Leben eben keine „Dreilochschlampe“ bin, sondern eine hart arbeitende, verantwortungsvolle, emanzipierte Frau.

Und sonst so?

Und schon sehe ich sie wieder vor mir, meine Mutter mit ihrem leeren Gesicht: „Und sonst so?“

Seit ich meine submissive Neigung ausleben kann, bin ich viel stabiler, direkter, höflicher, belastbarer, zufriedener, ja, demütiger geworden. Ich bin vom Glück gesegnet. Denn ich gehe aus dem Hause, ich ziehe Masken über und Gummi an, ich lasse mich würgen und strangulieren, ich lecke Stiefel sauber, ich werde in die Ecke gestellt, gefesselt und zum Objekt degradiert. Geschlagen und durchaus auch mal angespuckt.

Ich fühle  mich wie Madonna im Video zu “ Justify my love.“

Und danach kehre ich beseelt, lachend und mit Freude nach Hause, fühle mich wie Madonna im Video zu „Justify my love“ (wo sie nach einer wilden Orgie völlig euphorisch und verhuscht den Hotelflur entlangläuft), ich räume die Spülmaschine ein oder wahlweise aus, ich fege die Krümel vom Tisch oder wische die Saftflecken von der Anrichte, ich decke meine Kinder zu, mache die Hörspiel-CD aus, und gehe müde, durchgenudelt und glücklich schlafen.

 

“ Liebe Mama, pah, es geht nämlich doch!“

 

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Neo

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