Pawel Masnyk 03

 

Es fällt mir schwer, meinen Blick von seinen eindringlichen Bildern zu lösen. Oftmals sind es vertraute Szenen, die dargestellt werden, mir ganz nah kommen und mich gedanklich in meine letzte Session katapultieren.

Ein Gespräch mit dem jungen Fetischfotografen Pawel Masnyk über Goethe, das Ausloten von Grenzen und dem Wunsch nach bequemen Schuhen.

Das Erste, was dem Betrachter auf Deiner Homepage ins Auge spring, ist das Bild einer auffällig schönen Frau, deren Mund zugenäht wurde. Darunter ein Auszug aus dem bekannten Zitat, mit dem Goethes Faust den Pakt mit dem Teufel besiegelt: „Verweile doch! Du bist so schön!“ Ist Literatur eine wesentliche Inspirationsquelle Deiner Arbeit?

Wenn ich zurückdenke, waren meine Gedanken und Erinnerungen schon immer sehr stark mit Musik und Literatur verknüpft. Diese Verbindung ist in meinem Kopf stets präsent. Die Verknüpfung von Goethes Faust zu meiner Arbeit entstand intuitiv. Vor etwa zehn Jahren habe ich den Satz gedankenverloren auf einen Umschlag mit Fotos, die mich damals persönlich sehr berührt hatten, gekritzelt – es war ein ganz spontaner Akt und für mich eine Form, meine Emotionen mit dem Papier verschmelzen zu lassen. Seitdem ist dieses Zitat zu meinem persönlichen Begleiter geworden und geht mir nicht mehr aus dem Sinn.

Ein Blick in Dein Portfolio: Man sieht Klammern, exponiert gefesselte Körper und geknebelte Frauen, denen die Spucke aus dem Mund tropft. Deine Bilder drücken, trotz mitunter extremer Motive, immer eine besondere Ruhe aus. Wo findest Du Deine Modelle und wie gelingt es Dir, dass sie so wunderbar entspannt wirken?

Ich muss gestehen, dass ich hier keine konkrete Antwort, kein Patentrezept habe. Jedes Model, mit dem ich arbeite, ist anders und verhält sich anders vor meinem Objektiv. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst vieles von mir ganz offen preisgebe. Du kannst einfach meinen Namen bei Google eingeben und mich finden. Ohne Nickname, ohne Versteckspiel. Eventuell ist es diese Offenheit, die Vertrauen und diese besondere Atmosphäre schafft.

Du schreibst in Deinem Profil, dass es Dir wichtig sei, als Ergebnis Deiner Arbeit kein künstliches, an die Schönheitsnorm angepasstes Foto zu erhalten. Und Du gehst sogar noch einen Schritt weiter, indem Du feststellst, dass jeder körperliche Makel zur Zierde werden kann. Wie schwierig ist es eigentlich, einen Menschen davon zu überzeugen, seine körperlichen „Makel“ in Deine Kamera zu halten? Gibt es oft Einwände?

Alles, was anders ist, kann auch schön sein. Manchmal gehört einiges an Überzeugungskunst dazu. Nehmen wir beispielsweise einmal eine Narbe, die einen Menschen in meinen Augen zu etwas Besonderem und somit interessant und attraktiv macht. Dieselbe Narbe kann für mein Gegenüber mit einer persönlichen Tragödie oder einer schmerzhaften Erinnerung in Verbindung stehen. Und so etwas möchte man in der Regel ja lieber verbergen. Ich hingegen bin der Meinung, dass es gerade diese Empfindsamkeit ist, die es sich zu zeigen lohnt.

Wenn ein Model sich persönlich nicht öffnen möchte, sollte man dies aber in jedem Fall respektieren. Eine Fotosession sollte Spaß und Freude machen. Es ist daher wenig sinnvoll, gewaltsam in jemanden zu dringen und ihn zu zwingen, Dinge zu zeigen, die er lieber nicht preisgeben möchte. Du bekommst ganz sicher kein gutes Fotos, wenn sich dein Modell unwohl fühlt, denn in einer solchen Atmosphäre kann nichts Gutes entstehen. Man muss die persönlichen Grenzen des Models stets respektieren. Manchmal hilft es aber zu erklären, dass ein Foto an sich noch keine intimen Erfahrungen erkennbar macht. Dass Unsicherheiten und schmerzhafte, persönliche Erfahrungen nicht durch einen einfachen Blick auf das Bild sichtbar werden. Fotos besitzen keine Stimme – es ist unsere Aufgabe als Künstler, die Bilder sprechen zu lassen und zu entscheiden, was sie erzählen und was sie geheim halten.

Wo liegen Deine Tabus und Grenzen in Bezug auf Deine Arbeit? Was kommt Dir nicht vor die Linse?

Ich habe bislang nie darüber nachgedacht. Natürlich bestehen für mich ethische und strafrechtliche Grenzen. Zudem definiert mein ganz persönlicher Geschmack meine ästhetischen Grenzen. Ganz ehrlich: Viele Dinge teile ich – ziemlich kompromisslos –für mich in sehr attraktiv oder komplett abstoßend ein. Wenn ich fühle, dass ich ein bestimmtes Thema nicht richtig präsentieren kann, weil es mir nicht gelingt, einen persönlichen Zugang zu finden, dann breche ich eine Fotosession lieber ab, als am Ende Fotos zu bekommen, die nicht das widerspiegeln, was mein Model sich gewünscht hat. Das hat für mich jedoch weniger mit Grenzen oder Tabus zu tun. Ich sehe es eher als eine Art künstlerische Notbremse. Was meine Grenzen bezüglich meiner Arbeit tatsächlich sind, kann ich eigentlich gar nicht sagen, da ich sie noch nicht erreicht habe und somit nicht kenne.

Nehmen wir einmal an, Geld spielt keine Rolle. Was wäre Deine absolute Traum-Location/Setting für ein Fotoshooting?

Das wären zwei sehr unterschiedliche wie auch extreme Locations. Die erste wäre ein schmutziger, mittelalterlicher Kerker. Die zweite ein steriler Raum, ausgelegt mit glänzendem Latex. Ich denke, dass ich mich in diesen beiden Extremen sehr gut wiederfinden würde. Eine komplette Burg samt Verlies zu kaufen, wäre vielleicht ein zu hoch gesteckter Traum. Aber ein langes Wochenende mit der Kamera und einigen begabten Modellen dort zu verbringen, wäre für mich wirklich sehr reizvoll. Zudem könnte ich mit ausreichend Geld in kostspielige Ausrüstung und Equipment investieren, wie beispielsweise Chrom-Halsbänder, aufwändige Keuschheitsgürtel – oder zumindest ein paar echt bequeme Schuhe. Vielleicht sollte ich euren Onlineshop leer kaufen, würde Geld keine Rolle spielen. 🙂 Finanzielle Grenzen zwingen mich oft dazu, zu improvisieren. Wenn ein Outfit nicht mehr ganz so toll aussieht oder nicht perfekt sitzt, versuche ich das durch Perspektive oder Beleuchtung auszugleichen. Zu meiner Studentenzeit stand in meiner Wohnung eine alte Nähmaschine. Ich habe damals angefangen, nähen zu lernen. Bis heute nähe ich manchmal Accessoires aus Lack, Kunstleder, und in letzter Zeit sogar aus Metall – ein sehr hilfreiches Hobby.

Zum Schluss noch eine sehr private, neugierige Frage. Lebst Du Deine BDSM-Leidenschaft auch privat aus, oder nur im künstlerischen Bereich? Würdest Du mir ein wenig davon erzählen?

Ohne mein Privatleben würde ich heute wahrscheinlich nicht wissen, was BDSM oder Bondage überhaupt bedeuten. Die Wahl des Themas ist bei mir sehr selten zufällig. Ich tue, was ich fühle und verstehe. Dabei versuche ich immer ein wenig, eine Geschichte zu erzählen. Manchmal verstecke ich im Hintergrund gerne kleine Eastereggs, wie einen Ausschnitt aus einem bekannten Film. Das ist umso schwieriger, weil meine Bilder nicht beweglich sind. Und das war jetzt weniger die Antwort auf deine Frage, oder?

Pawel Masnyk ist 1985 in Glogau/Polen geboren und lebt mittlerweile seit vier Jahren in Sinsheim bei Karlsruhe. Wer Lust auf ein Shooting mit dem sympathischen Fotografen im Raum Karlsruhe/Heidelberg bekommen hat oder mehr von seiner Arbeit sehen möchte, folgt einfach diesem Link:

http://www.masnykphotography.com/de/

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Lilium

Lilium

Lilium hat ihr Studium in Literaturwissenschaften und Mediävistik mit dem Schwerpunkt Sadomasochismusforschung abgeschlossen und lebt ihre BDSM-Neigung auch im Alltag offen aus. Die gebürtige Berlinerin ist nicht nur wahnsinnig neugierig darauf, was andere zu erzählen haben, sondern gibt zudem gerne einen Einblick in ihre ganz privaten Leidenschaften.

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