Fotograf: Carnivore, „Buckelfisch“

Liebe, Schmerz und Lust…

Der Trend zeigt: Menschen verlagern ihre Kommunikation immer mehr in das Internet. Flirten in Bars, Kennenlernen im Alltag oder nette Dates, die sich spontan aus Situationen ergeben, werden zur Rarität. Das normale Kennenlernen passiert im World Wide Web. Gerade die BDSM Szene ist in der virtuellen Welt gut vertreten und bietet mit zahlreichen Communities und Foren viele Möglichkeiten Gleichgesinnte zu treffen.

Da gibt es Plattformen wie die SZ, Fetlife, den Joyclub oder auch Gentledom. Ob szeneinterner Austausch, Kennenlernen des Themas für Neueinsteiger, oder die Suche nach dem geeigneten Spielpartner: Auf einschlägigen Seiten wird man fündig. Dom’s suchen Sub’s. Fotografen suchen BDSM Modelle für aussergewöhnliche Shootings, Stammtische bilden Online Gruppen oder in Foren werden spezifische Themen beratschlagt und in der Realität umgesetzt. Wer kann Peitschen fürs Spiel empfehlen, das neueste Toy oder wie sagt man seiner Freundin das man sie in einem schönen Sub-Halsband sehen will?

Für Jeden User gibt es das passende Ventil, in dem er das findet, was er womöglich in einem gut strukturierten Online Netzwerk besser trifft, als in seinem heimischen Freundeskreis, indem möglicherweise keine weiteren Smler zu finden sind.

Aber wie läuft das alles wirklich ab?

Wie präsentiert man sich online und welcher Kommunikation ist man ausgesetzt, wen man über seine Sexualität spricht? Wie findet man eine Person, mit der man nicht nur anonym, sondern auch real Spaß haben kann? Gibt es Gefahren die virtuell lauern könnten und was ist mit der Liebe in BDSM Foren? Passiert sie auch dort, wo man sie nicht vermutet oder ist die Realität so, dass sich alles nur ums fleischliche Begehren dreht? Wir haben uns mit zwei Kennern der BDSM Szene unterhalten, die nicht nur online sind, sondern sich auch virtuell kennen und lieben gelernt haben.

Fotograf: Carnivore Pictures, Zensiert, „Seemann“

 

INTERVIEW

Wie lange seid ihr schon auf BDSM Foren unterwegs und aus welchen Gründen? 

Sara: 2008 setzte ich mich zum ersten Mal damit auseinander, dass meine sexuelle Neigung, die Lust am Schmerz, einen Namen hat. SM war bis zu diesem Zeitpunkt ein leerer Begriff für mich. Ich nannte das immer anders und fühlte mich auch nicht zugehörig. Ich begann im Internet zu suchen und bin auf einen SM-Stammtisch aufmerksam geworden. Da bin ich dann hin. So kam ich dann auch zur SZ. Das Format andrer Foren hat mich nicht überzeugt.

Dunges: Angefangen habe ich 2007. Zuerst als Profilspanner und natürlich irgendwann mehr. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt verheiratet war und SM keine Beachtung gefunden hatte. Auch wenn sich jetzt einige Leser bestimmt fragen, warum ich die Dame überhaupt geheiratet habe. Als ich im Januar 2011 so richtig aktiv wurde, stand der Mensch im Vordergund. Sprich schreiben und Kontakte knüpfen.

Wie präsentiert sich denn die BDSM Szene auf Portalen wie Fetlife.com, Gentledom.de oder anderen Institutionen?

Sara:  Ich kenne mich bevorzugt in der SZ aus. Die SZ ist ganz klar eine kategorisierte Plattform, bei der es um BDSM geht. Ich würde sagen, analog zu andren Themen. Ein Kleingartenverein hat vermutlich die gleiche Struktur, mit Bildern, einem integrierten Forum, News, Berichte und der Möglichkeit Nachrichten mit andren Benutzern auszutauschen. Hier ist die große Gemeinsamkeit der BDSM. Bei Fetlife habe ich mal reingeschaut, das ist aber schon so lange her, dass ich mich nicht recht erinnere-ein Profil habe ich da nie angelegt. Bei Joyclub geht es um Sex, und BDSM ist ein Teilbereich.( Anmerkung der Redaktion: Fetlife ist eine  Foto orientierte internationale Plattform, in der sich Fotografen, Models und BDSM User meist durch Fotografien präsentieren)

Dunges: Ich muss dich aber gleich berichtigen, Du hast die SZ vergessen! Ist ja vielleicht DAS Onlineorgan dafür! Ich habe zwar, je ein liebloses Profil bei Fetlife und im Joyclub, aber ich persönlich bewege mich am besten und sichersten, in der SZ. Und auch nur dort pflege ich meine Kontakte und finde gegebenenfalls Neue. Da sich auf Portalen einzelne User präsentieren, finde ich etwas..hmmmm vermessen, es mit der Szene gleichzusetzen. Ein kunterbuntes Durcheinander. Manche nehmen sich ernst. Vielzu ernst! Und Andere wieder nicht. Einige haben das Glück, Fotografenkontakte ihr eigen zu nennen. Da kann man sich natürlich recht gut in Szene setzen, sollten sich dann aber bitte nicht über überfüllte Postfächer beschweren! Anderen steht nur ein verwackeltes Selfie zur Verfügung.

 

Fotograf: Carnivore Pictures, „Bad“

 

War es für Euch schwierig in der Realität Menschen mit gleichen Interessen zu finden?

Sara: Ich glaube, ich habe nie wirklich im realen Leben jemanden kennengelernt, der diese Interessen teilt. Es ist ein Tabuthema und selbst wenn ich jemand real kennengelernt habe, der es teilt, weiss ich nichts davon.

Dunges: Ein klares Jein! Dennoch fand ich in diesem Fall mein Stammportal hilfreicher. Denn da ist klar, wohin die Marschrichtung führt. Es gilt dann nur noch, die Nadel im Hauhaufen zu finden. In der Realität hat man haufenweise Nadeln – aber die Tragik beginnt, wenn man inzwischen verliebt erfahren muss, dass die Auserwählte keinen Zugang dafür hat.

Wie ist Euer Eindruck beim BDSM Online Dating? Was für Menschen stecken hinter den Profilen und wie viel von dem was sie preisgeben ist überhaupt wahr?

Sara: Naja. Die Anonymität des Internets lässt manche zur Phantasiefigur werden. Zum Teil ist es auch so, weil eben das gemeinsame Interesse auf gewisse Weise schon durch die Plattform „festgelegt“ ist, meinen viele, Sie könnten seichte BDSM-Lektüre eins zu eins übertragen. Das Mischverhältnis ist eher ausgewogen. Eben diese Typen und dann diejenigen, die sich sehr treffend portraitieren.

Dunges: Vielleicht etwas Klischee behaftet meine Antwort, aber es geht durch alle Schichten und alle Facetten.! Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich sehr viele Damen, die in Pflegeberufen tätig sind, tummeln. Ich bin selten auf ein Profil reingefallen, nachdem länger geschrieben oder gar telefoniert wurde. Klar ist es einfach, sich virtuell zu präsentieren, dann bekommt man vorgegaukelt, was ein ach so wildes Punkrock-Chick man doch ist und vier Wochen später, hockt man dann bei einer Tschibo-Hausfrau in der Wohnstube. Solche Kontakte sind dann leider zum Abbruch verdammt. Allerdings habe ich aber auch viele nette und mir inzwischen sehr nahe Menschen kennen gelernt, wollte ich an dieser Stelle auch mal erwähnt wissen.

Gefahren, die die Anonymität der Profile mit sich bringt? Belästigung? Krasse oder irre Persönlichkeiten?

Dunges: Na, da kann uns bestimmt Sara mehr dazu sagen! Frauen machen in dieser Regel mehr Erfahrungen!

Sara: Als Frau bekommt man gerne konfektionierte Anschreiben, die einfach an jedes weibliche Wesen geschickt werden. Zum Teil wird sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Namen auszutauschen!  So etwas nervt ganz schön. Oder wenn man tatsächlich mal ein „darauf stehe ich“ im Profiltext stehen hat, wird man gnadenlos darauf reduziert. Auch das Sub sein ist für die Aussenwirkung oft ein „Idioten-Fänger.“ Irgendwie wird angenommen, dass jeder X-beliebige  Mann dann sofort losdommen kann und man nur auf diese Person gewartet hat. Unabhängig, ob man weiss, ob man sich sympathisch ist oder nicht. Zum Teil ist das sehr absurd! Aber wirklich krasse Erlebnisse habe ich nicht vorzuweisen.

Fotograf: Narrenkönig, „Knebel“

 

Was ratet ihr Neueinsteigern der Szene, die sich auf Portalen tummeln und unerfahren sind?

Dunges: Sich nicht zu verstellen! Denn das holt einen schneller ein, als einem lieb ist! Vor allem die Erwartungshaltung etwas nach unten korrigieren. Sagen wir es so: Wer in der Realität sehr verschlossen und scheu ist, der wird auch in der Virtualität schwerlich einen Stich landen. Ich bin (Gottlob) mit hessischen Genen gesegnet und eine selbsternannte Kommunikationsnutte! Ich persönlich habe kein Problem, mit Leuten in Kontakt zu treten und auch den Kontakt zu halten! Außerdem sollte man den Ball flach zu halten und nicht bei jeder Dame mit der Tür durchs Haus fallen. An alle Männer: Höflichkeit zahlt sich immer aus!

Sara: Als ich ganz neu in der SMS Szene war habe Ich für mich gelernt: Ist man Sub, sollte man das für sich behalten. Es sei denn, man will echt von jedem „angedommt“ werden bzw. Sprüche in die Richtung kassieren. Viele fühlen sich berufen, submissives Verhalten dann einzufordern, eben mit der Erklärung: Ja, du bist doch Sub! Was ein Quatsch!!!

Wen oder was genau habt ihr gesucht, als ihr unabhängig voneinander  ein Profil angelegt habt und was war euch dabei wichtig?

Sara: Ich war einfach neugierig. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich auf diesem Weg meinen zukünftigen Mann kennenlerne, hätte ich diese Person vermutlich ausgelacht 🙂 !

Dunges: Ich habe Sara gesucht. Ich wusste es damals nur noch nicht!

Erzähle uns von dem verrücktesten Online-Date das du jemals hattest…

Dunges: Auch wenn es mein Online-Nick „Narrenkönig“ nicht erahnen lässt, dass ich wirklich auch ein ernster Mensch bin, so richtig verrückt, war keines meiner Treffen!

Sara: Ursprünglich hatte ich die Schnauze voll vom Internet und hatte in der SZ mein Profil schon gelöscht. Dann hatte ich es mir doch anders überlegt und konnte es gerade noch reaktivern und plopp, hatte ich eine Nachricht von Dunges. Seine Nachricht war so toll, dass ich ihn kennenlernen wollte. Ich wollte nicht ewig hin- und herschreiben und fragte ihn nach seiner Nummer. Wir haben telefoniert und uns am gleichen Abend getroffen. Bald heiraten wir. Ja, das finde ich auf gewisse Weise schon verrückt.

„La petite Chouchou1“

 

Dunges..wie war es für dich Sara zu treffen und was passierte dann? 

Dunges: Jetzt sollte ich vielleicht mal ausholen und damit anfangen, wie ich überhaupt auf Sie aufmerksam wurde! Über mein bereits erwähntes Stammportal, habe ich eine Fotografin kennen gelernt. Wir tippten, telefonierten und verstanden uns gut, sehr gut sogar! Ich habe ihr mal von einem Bild erzählt, welches mir als Kind in die Finger gekommen war.

Antwort der Fotografin: „Ich habe mal eine Frau geknipst, die gefällt dir bestimmt.“ Sie hat mir zwei Bilder geschickt und ich war Feuer und Flamme. Allerdings war die Angebetete ein halbes Jahr offline! Aus den Augen, aus dem Sinn!!! Durch einen blöden Zufall bin ich am 30.12.2011 auf ihr Profil gestossen und dabei gesehen, dass sie des Morgens online war! Ich habe ihr einen gefühlten zwei DIN-A-4 Seiten Text geschrieben und tatsächlich Antwort erhalten. Entgegen meinen Tipps aus einer Vorfrage: Sofort telefoniert und dann zu einem Spontandate, zu ihr gefahren!

War es Liebe auf den ersten Blick?

Sara: Dunges wird jetzt sicher sagen, dass ich ihn erst nicht wollte,  egal, was ich jetzt schreiben würde!

Dunges: Ja!

Ihr seid offensichtlich sehr glücklich miteinander, da ihr diesen Sommer heiratet. Ist das nicht absolut bizarr oder einfach der Zeitgeist das ihr Euch online begegnet seid? Glaubt ihr Euch ohne BDSM Community jemals begegnet zu sein?

Sara: Bizarr, skurril-ja. Schon! Ich bin der Meinung, dass wir zusammengehören und wären wir uns nicht dort begegnet, wären wir uns das wo anders sicherlich auch!

Dunges: Auf „Wäre wenn?“ Debatten, lasse ich mich nicht gerne ein. Aber sagen wir es so: Wir betonen immer gerne, dass wir uns sofort real begegnet sind und auf das schriftliche Frage-Antwort Spiel verzichtet haben. Da ich aber die eigentliche Drahtzieherin virtuell kennen gelernt habe. Sage ich mal eher „nein“, um deine Frage mal direkt zu beantworten! Die drahtzieherische Fotografin, ist übrigens meine Trauzeugin, nur falls es dich interessiert.

Vielen Dank  an Euch Zwei für Eure Offenheit und Zeit. Ich wünsche Euch eine wunderbare Sommer-Hochzeit und bedanke mich für diese tolle Interview!

Sara & Dunges: Lieben Dank für die Wünsche und ja gerne!

 

„La petite Chouchou2“

 

 Fotograf: Carnivore Pictures / Facebook Page 

Neo

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