Es gibt einige Filme über die BDSM Szene, deren Leidenschaften und auch ihrer Sexarbeiterinnen. Oft stimmt das Bild, was uns die Filmbranche dazu liefert aber weder mit unseren Emotionen, noch mit realen Begegnungen, Hoffnungen oder Wünschen überein. Wer sind die Menschen, die frei und neugierig, ohne Zwang, selbst die Wahl treffen und als Domina oder in der devoten Rolle, Kunden empfangen und ihre Neigungen ausleben? Cheyenne Picardo war eine von Ihnen und ist nun Regisseurin und Filmemacherin aus New York.
Ihr Debut Film „Remedy“ läuft derzeit in kleinen Kinos international und findet Anklang. Denn er ist ganz anders, wie alles, was wir von Hochglanz Kinos und inszenierten Traumwelten gewohnt sind: ehrlich und offensiv.
Wir haben es uns nicht nehmen lassen und für Euch Cheyenne Picardo interviewt und mit Ihr über Ihren biografischen Film und die New Yorker BDSM Szene gesprochen….
Story – Remedy
Ihr Interesse am New Yorker Fetish- und SM-Undergound bringt eine junge Frau auf die kuriose Idee in einem BDSM-Etablissement zu arbeiten. Ein Freund entgegnet: „Das könntest Du nie!“ Doch sie sieht es als Herausforderung und wagt die Reise ins Ungewisse..
Unter dem Namen „Mistress Remedy“ arbeitet sie zuerst als professionelle Domina, um sich bald der lukrativeren Tätigkeit in der devoten Rolle zuzuwenden, die ihr überdies auch mehr liegt. Schnell stellt sie fest, daß ihre privaten Neigungen nichts mit dem Druck und den Risiken in diesem Geschäft zu tun haben.
Cheyenne, worum geht es in deinem Film Remedy?
Remedy ist eine autobiographische Fiktion basierend auf meiner Zeit als switchende Mitarbeiterin, eines kommerziellen BDSM Dungeons in New York City. Es ist mein erster Spielfilm als Produzent, Regisseur, Autor und Herausgeberin.
Was für eine Frau ist Mistress Remedy?
Ungeniert Kinky, neugierig, selbstständig und intelligent. Aber ihr tragischer Fehler, der ebenfalls meiner ist, ist ihr Stolz. Sie ist der Typ Mensch, der sich rational verhält, bis jemand ihr sagt, dass es ihr nicht erlaubt ist rational zu sein oder sie nicht in der Lage ist etwas zu tun. Jemand, der nicht erkennt, in welchen Situationen man besser gehen sollte.
Was waren deine Absichten diesen Film zu produzieren, warum ausgerechnet das Thema BDSM?
Meine Absicht war es nicht ausschließlich einen Film über BDSM zu machen, da gibt es bessere Filme, die sehr viel mehr erzählen könnten als mein Film. Mein Film handelt von professioneller Arbeit im Fetisch – Business. Ich habe Geschichten anderer Dominas gelesen und was mich an ihnen irritiert hat, war, wie unterschiedlich ihre Erfahrungen zu meinen waren.
In Ihren Geschichten klang es so, als wären sie sexuelle Superhelden gewesen! Ich fand es sehr schwer, da Parallelen zu mir zu finden. Die Erfahrung einer Domme die im Kollektiv arbeitet, ist immer eine ganz andere als der, einer Unabhängigen. Ich hatte außerdem auch noch nichts von einer Professionellen gelesen, die submissive Sessions anbietet. „Pro –Sub“ schien das Stiefkind der Branche zu sein. Selten diskutiert, gelegentlich verunglimpft. Menschen die „Sub Sessions“ getan hatten, gaben es nur zögerlich zu.
Ich hatte noch nie von jemandem gelesen, der offen gesagt nicht wegen seines Berufes menschlich geschnitten wurde, und selbst gewählt hatte, diesen Job auszuüben. Kein Handel, kein Zwang, nur eine Wahl.
Und ich war sehr erpicht darauf, ein Gegenmittel zu Filmen und TV-Shows von Menschen die nicht mal Kontakt zur Szene haben, oder Erfahrung in der Branche, diese aber abbilden, zu zeigen. Menschen lieben es, für die Prostituierten zu sprechen. Ich spreche für mich selbst.
Wie hast du es geschafft, diesen intensiven ehrlichen und offensiven Film zu drehen? Gibt es eine Anekdote, von der du uns erzählen möchtest?
Nun, ich konnte mir nicht helfen. Das kommt dabei raus, wenn man in seiner eigenen Biografie herumgräbt und anfängt eine Geschichte zu erzählen. Was dabei herauskommt, mag möglicherweise dann nicht haargenau so sein, wie alles passiert ist, auf keinen Fall Wort für Wort.
Das ist in zwei Stunden gar nicht möglich. Aber ich konnte nicht umhin, etwas zu erschaffen, was sich echt anfühlt. Und diese Authentizität fühlt man in den Details. Zum Beispiel die Schäbigen Räumlichkeiten zu zeigen, oder das Putzen nach einer Session. Den Fokus auf die Interaktion zwischen den Protagonisten zu legen und nicht nur auf das Schlagen mit einem Flogger.
Ich habe den Schauspielern eher erlaubt zu improvisieren, als sie mit gekünstelten Dialogen zu füttern, der die organischen Machtverhältnisse in jeder Szene setzt.
Nachdem das Schreiben und die Aufnahmen abgeschlossen waren, hat die Post-Produktion nach neuen Möglichkeiten gesucht, auch farblich das Ganze in Szene zu setzen und mit ehrlichen „Sound Effekts“ zu ergänzen. Der Prozess war sehr befreiend. Der fertige Film ist roh und authentisch auf eine Weise, die eine glänzende „High-Standart“ Situation nicht sein kann.
Was das Thema „Geschichten hinter den Kulissen“ betrifft: da gibt es einiges, was ich nicht in dem Film gezeigt habe. Manche Sessions waren einfach zu Klischee oder zu grafisch. Mittlerweile bereue ich, nicht mehr Risiken eingegangen zu sein, bei dem was ich zeige. Denn fast jeder Klient, abgesehen von denen bei denen ich die Sub war, haben sich am Ende der Sitzung de Kleidung vom Leib gerissen und waren splitterfasernackt. Auch wollten viele „Slut Training“ von mir, oder extremes CBT oder „Golden Showers.“
Aber zu der Zeit, hatte ich ehrlich gesagt etwas Angst davor, amerikanische Sexarbeiterinnen in Schwierigkeiten zu bringen. Denn was in den Häusern wirklich abgeht, oder zum Beispiel bei einer Session, wissen nur die Beteiligte. Im Ernst, die meisten Leute, ( an dieser Stelle danke an die allwissenden Medien) denken doch, eine Domme steht immer 6 Meter entfernt von ihren Klienten, in schwarzen Lacklederbalettstiefeln, mit einer Peitsche in der Hand.
Offensichtlich könnte die Wahrheit nicht weiter entfernt sein. Wenn ich unbegrenzte Mittel hätte, würde ich eine Fernsehshow kreieren, die einfach viel mehr inszenierte Bilder zeigt, die Industrie also, die daraus entstanden ist, und das Arbeiten in dieser absurden Welt. Ich würde niemals zu wenig Material haben.
Aber für meinen ersten Film wollte ich wirklich nur meine Geschichte erzählen und nicht die anderer „Sexworker“. Das mit einem Film wie diesem zu machen, ist sehr gefährlich und kann eine Falle sein, in die viele als Regisseure nicht tappen wollen. Genau das ist der Grund, warum es so viele unehrliche, gekünstelte Filme und Portraits über die Szene gibt und Fetischismus im Besonderen.
Was lernen wir über Menschen und ihre Sexualität, wenn wir hinter Vorhänge und in BDSM Studios schauen?
Zu aller erst einmal, das beide, dass heißt private Spielplätze und BDSM Studios nicht gleich sind, sich aber auch nicht ausschließen. „BDSM Studios“ oder kommerzielle „Dungeons“ sind nicht das selbe wie BDSM „Play Areas“. Natürlich werden beide Bereiche von Fachleuten gleichermaßen genutzt, einmal beruflich, dann wieder privat. Damit will ich nicht sagen, dass alle Damen, die im BDSM Bereich arbeiten, zu Hause ebenfalls Perversionen ausleben, absolut nicht. Ich habe eine Menge getroffen, die es absolut nicht sind.
Wie ist die Fetisch und Underground Szene in New York? Was ist die Essence der Szene?
Ich wünschte, ich wüsste es! Ich bin sowas wie ein Einsiedler, seit ich angefangen habe Remedy zu drehen. Meine Tage mich in fantastischen Outfits in Clubs oder BDSM Studios zu präsentieren, haben sich in sehr gelegentliche Stunden verwandelt, die ich mir mit einer anderen Domina teile. Meine kinky Zeit, in der ich gerne gespielt habe, wurde durch meinen Film ziemlich isoliert, dafür verbringe ich nun aber meine Freizeit oft mit Aktivistinnen und Künstlern. Ich vermisse den Prunk manchmal, habe aber wegen der Arbeit noch einen vollen Schrank mit wunderbaren Outfits.
Ich bin ehrlich gesagt sehr daran interessiert, wie die Szene in Deutschland funktioniert, wenn man bedenkt, wie warm der Empfang für meinen Film „Remedy“ war, und ich diesen schnell in unabhängigen Kinos zeigen konnte!
Gibt es etwas, das du Neueinsteiger der Szene weitergeben oder sagen kannst?
Versuche nicht Grenzen zu ziehen, die nicht deine eigenen sind. Was für dich gut ist, oder inakzeptabel, ist eine persönliche Entscheidung. Und die Grenzen Anderer werden nicht unbedingt mit deinen übereinstimmen, insbesondere in der BDSM Szene. Das ist der Grund warum die Kultur der Zustimmung gefördert werden muss. Grenzen können leicht im Moment überschritten werden. Das „ja“ von heute, ist nicht das von morgen. Und je mehr die Menschen das verstehen, desto weniger Menschen können dabei verletzt werden. Versuche dich selbst so gut wie möglich zu kennen.
Gibt es neue Projekte an denen Du arbeitest und was werden wir zukünftig noch alles von Dir sehen dürfen?
Momentan habe ich das wundervolle Problem, viele Ideen zu haben, an vielen Projekten zu arbeiten, aber dafür nur begrenzt Zeit aufbringen zu können. Ich arbeite momentan an einigen Musikvideos, die mich sehr begeistern, außerdem an einer Serie von Kurzfilmen, deren Inhalte Sexarbeit zum Thema haben und die fast schon absurd und komödienhaft inszeniert werden. Aber alles, hat die selbe Authentizität wie Remedy.
Cheyenne, vielen Dank für deine Zeit und das ehrliche Gespräch! Wir freuen uns auf weitere Projekte und Filme von dir!